Frau Pogatni lebt!

Zu meinen sehr frühen Kindheitserinnerungen zählt der Besuch der Frau Podgatni, die meine Urgrossmutter , meine Mutter und mich aus einer Weinflasche auf einen Löffel gegossenes Wasser "einnehmen" ließ und sich dafür nicht ungern ein paar Schillinge aufdrängen ließ. Wasser aus Lourdes. Ein paar Jahre später, in den Ferien zwischen Volks- und Hauptschule wurde ich von selbiger Dame - nicht viel jünger geworden - ihr Markenzeichen war ein seltsam verkrampfter, etwas seitlich gestreckter Arm - aus der zur Faust geballten Hand schwang bedrohlich ein schwarzer Rosenkranz. Jedenfalls hat diese besagt betagte Dame mich und meinen damaligen Ferienfreund Sepperl Z. (Cäsar) in der Alten Wienerstraße aufgehalten und uns erzählt, dass sie seinerzeit alljährlich vom "guten Kaiser Franz Josef" der mit einem weissen Pferd, also einem Schimmel in Bruck unterwegswegs war - abgepaßt und aufs Pferd gehoben wurde, um auf dem majestätischen Schosse mit ins Lager zu reiten.... Dieses Geschichterl ist mir eingefallen, als ich in der letzten "NÖN" von der führungskommunalen Freude über das wiedererlangte kaiserliche Wappen lesen durfte. Die zweischädelige Mißgeburt als Wappen und Stempel, das Symbol für den millionenfachen Mord auf Europas Kriegschauplätzen, vom guten, alten Kaiser per Dekret gestartet, wurde in den ersten Stunden der jungen Republik aus Bruck verbannt - von einem sozialistischen Bürgermeister damals... ...ist ja schon lange her....die tausend Jahre mit dem Adler und mit dem noch älteren Sonnensymbol sind auch schon bald sehr lang her...vielleicht gibts da in naher Zukunft für den Einen oder die Andere einen Grund zur Freude... mit ganz,ganz lieben grüßen Hans Koosz
 

Der Stadtrat für Kultur, Norbert Payr, antwortet….

Lieber Genosse Koosz,


Als für die "offizielle Stadtgeschichte" zuständiger Stadtrat möchte ich deine sehr oberflächliche Kritik an der historisch korrekten Darstellung des Brucker Stadtwappens nicht unwidersprochen lassen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir beide einer Geschichtsfälschung nichts abgewinnen können. Die Geschichte kann man nicht im Nachhinein umschreiben, nur weil sie einem nicht gefallen hat. Nun hatte Bruck/Leitha einmal den Status einer landesfürstlichen Stadt, der bis heute durch das Symbol des Doppeladlers zum Ausdruck gebracht wird. Eine Position, die sich die Brucker damals unter anderem mit der kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und auch militärischen Stärke der Stadt erarbeitet haben.
Das ist nichts, was man vertuschen oder verfälschen sollte, auch nichts, wofür man sich schämen müsste.

Deine Assoziation des Doppeladlers mit kaiserlichen Verbrechen an den Menschenrechten kann ich nur bedingt akzeptieren, da so betrachtet die Darstellung der Stadtmauer mit Türmen zur Abwehr alles Fremden wesentlich mehr Kriegssymbolik in sich birgt, als ein biologisch nicht lebensfähiger Vogel. Ich bitte dich auch nicht zu übersehen, dass die von dir bis heute so sehr gefürchtete Habsburger-Monarchie einst über lange Zeit sehr erfolgreich
in der kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Integration der moslemischen und jüdischen Bevölkerung war. In Zeiten, wo viele (geradejugendliche) Wähler menschenverachtenden blauen Hasspredigern ihr Vertrauen schenken, wo Ausgrenzung und Xenophobie salonfähig werden, verstehe ich deine Kritik an verganenen Jahrhunderten als völlig falschen, realitätsfernen und die Gegenwart verkennenden Zugang, der schon Tendenzen
einer Verharmlosung des verbrecherischen Faschismus in sich birgt. Und dies halte ich für ziemlich dumm - ebenso, wie der Brucker Sozialdemokratie eine Nähe zur Monarchie zu unterstellen.

Ich verbleibe dennoch in tiefer Bewunderung deiner Kunst und

mit freundschaftlichen Grüßen

Norbert



(Koosz erlaubt sich abermals dem Kulturstadtrat via NÖN einen Leserbrief zukommen zu lassen…

Lieber Norbert!
 Auch wenn Du die Geschichtsschreibung Brucks darstellst, darf ich wohl niederschreiben, dass mir beim breiten und zufriedenen Grinsen der Kommunalführung über die Wiedererfindung des zweischädeligen Adlers die senile und von Kaisererinnerungen zehrende Frau Pogatni eingefallen ist.
Weiters habe ich festgestellt, dass der Zweikopfvogel unter anderem den Millionenmord auf Europas Kriegsschauplätzen symbolisiert und dass eben dieses Wappentier wahrscheinlich von einem sozialdemokratischen Bürgermeister entfernt worden ist.
Der Sozialdemokratie habe ich ganz sicher nicht in die ideologische Nähe zur Monarchie unterstellt…Du schreibst, was da nicht alles an Gutem  passiert ist…Du kannst sogar den militärischen Errungenschaften was abgewinnen.
Falls Du jemals meine Malerei verstanden hast, wirst du wissen, dass ich das gemalte ebenso schreibe und das geschriebene ebenso  male - aber auch so denke und fühle. Beispielsweise habe ich 2002 vor einer Wahl in den Räumlichkeiten über dem Taro eine Ausstellung organisiert, damals trugst Du noch das grüne Wams, die der ehemalige Bundesminister Rudolf Edlinger eröffnete – er und die Brucker Partei und sehr viele Interessierte – ich durfte dazumal gute zweihundert Besucher begrüßen –keinem  ist verwerfliches aufgefallen.
Du stellst bei mir „faschistische Tendenzen“ fest – ich hoffe nur, dass Du nicht im Namen der Sozialdemokratie sprichst…das würde mich eventuell verletzten. Ich wünsche Dir und den Deinen weiterhin viel Freude unterm Doppeladler.
P.S.: Hat der Herr Stadlmayer nicht mit stiller Genugtuung  in seinem Werke festgestellt, dass Bruck die größte Kreishauptstadt des Deutschen Reiches war? – also….landesfürstlich und größtkreislich…

(ein „zwischendurch Mail an Stadtrat Payr)
Lieber Norbert!

Ich danke Dir für die umfangreiche Darstellung Deiner Sichtweise bezüglich der sechs Jahrhunderte Habsburg -  die ausführliche Stellungnahme spricht für Dich - für einen rotparteilichen und kommunalen Hoffnungsträger.....so - aber auch so.....

 Trotzdem....und immer wieder aufs Neue...bestärken mich Deine Sätze in meiner Einstellung grundsätzlich und im Besondern zum Inhalt meines Leserbriefes...mir stehen halt die Proletarier, die Knechte und das soldatische Kanonenfutter ohne Gold und Glanz - diejenigen, die denen, die sich am Doppeladler erfreuten (erfreuen) die "kulturelle, wirtschaftliche, gesellschaftliche und auch militärische Stärke erarbeitet" haben, näher wie sonst was...

Ich wünsche Dir viel Freude mit dem Doppeladler - und erlaube mir, mich weiterhin am roten Rätestern zu erfreuen....mit einem herzlichen "Rotfront!" Hans Koosz











(Antwort wurde in der NÖN nicht mehr veröffentlicht – daher handelt es sich im folgenden Schreiben um eine private Nachricht von Stadtrat Payr)

Lieber Hans,
 
ich denke, wir können im breiten Konsens unsere öffentliche Diskussion beenden, da wir die Dinge dem Grunde nach wohl gleich sehen. So wie ich dir natürlich deine Kritik an der Monarchie zugestehe und sie prinzipiell teile, so denke ich auch, dass du mir beipflichten wirst, dass das aktuelle Bedrohungspotential für die Demokratie, für Frieden und Wohlstand, für das soziale Zusammenleben und für kulturelle Blüte stärker von üblen faschistischen und Neo-Nationalsozialistischen Tendenzen ausgeht, als von Monarchie oder Stalinismus.
 
In diesem Sinne sind wir einig im Ziel.
 
Ich danke übrigens recht herzlich für die Karikatur, die schon viele Menschen erheitert hat.
 
Freundschaft!
Norbert
 





(ebenso ein Privatmail von Koosz an Stadtrat Payr)
Lieber Norbert!
„…ausgeht …als von….Stalinismus „(?) – na ich weiss nicht….ich glaub ,da willst mir ein bisserl dick den Honig ums Maul auftragen…ich glaub, der Stalinismus war auch eine Geissel der Menschheit, obwohl ich aus links-sozialistischer-sozialdemokratisch-österreichischer-Linkssicht den Genossen Stalin als Gallionsfigur des sowjetischen Systems dieser unglücksseligen Jahre und der Rote Armee als Befreier vom Übel erkenne - hierorts. – ich bin ein Bewunderer der Kronstadtsoldaten…
Zum Doppeladler…wäre ich nicht so alt, wäre die Fahne mit der zweiköpfigen Missgeburt sicherlich schon weg…mit dem Bolzenschneider etc. – du oder der gesamte Gemeinderat habt mir den zweiköpfigen mehr oder weniger aufgedrängt… der mir so zuwider wie der Reichadler ist…oder ich habe die „letzten Tage“ nicht ganz verstanden….
Möglicherweise hast du mit dem zweiköpfigen einen politischen Coup gelandet…die Fans von „Sisi – Mädchenjahre einer Königin“ sind sicherlich zahlreicher wie die des „Panzerkreuzer Potemkins“ …mein Stehplatz am sogenannten „Juchee“ in der Partei ist nun sehr eng und somit unangenehm geworden…. Wirkliche Alternativen ? die gibt es nicht für mich….vielleicht der weiße Stimmzettel…da muss ich noch überlegen…mich beeindruckt keine Flaniermeile und auch kein Eislaufplatz – beeindruckt – unangenehm beeindruckt hat mich eben der Zweiköpfige und deine Aussagen dazu und dein sicherlich vorhandener Rückhalt … dieser Rückhalt aus schreiender Stille…Weißt eh….
Du bist sicherlich ein Roter mit Kopf….den zweiten hättest ruhig lassen können…

Rotfront !  hansk